0

Stunde der Stille

Roman

Erschienen am 28.02.2012
19,80 €
(inkl. MwSt.)

Im Moment nicht lieferbar. Bitte nachfragen.

In den Warenkorb
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783887472689
Sprache: Deutsch
Umfang: 253 S.
Format (T/L/B): 2.5 x 22 x 15 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Da ist der idealistische Landvermesser und Ingenieur Martin Petr, der aus Prag in die ferne Ostslowakei geht, um Bauern und Dörfer vor Überschwemmungen zu retten. Da ist Pavel, ein junger Mann, der den Älteren gern zuhört und schnell lernt; oder der Partisan Smoljak, der nach dem Verräter sucht, der seine ganze Familie den Nazis ausgeliefert hat (das war der sehr fromme Pfarrer); der pazifistische Holzfäller, der aus Kanada zurückgekommen ist und im Dorf als 'Arzt' sowohl für Menschen wie für Tiere zuständig ist, aber bald verhaftet wird; es sind Frauen, die endlich aus den bäuerlichen Traditionen ausbrechen wollen; es sind (zu Recht) misstrauische und sture Bauern, die Agitatoren mit Knüppeln vom Hof treiben; stalinistische und korrupte Funktionäre, die mit allen Mitteln ihre Macht sichern; es sind Säufer, Marodeure, versprengte Soldaten - ein wildes Panoptikum unterschiedlichster Biographien und Interessen, das sich aber im Laufe des Romans zu einer einzigen und unausweichlichen Erkenntnis bündelt.Der Roman basiert auf einer langen Recherche für einen Spielfilm, den Klíma über die Entwicklung des Sozialismus in der Ostslowakei, einer völlig unterentwickelten, armen und weithin unbekannten Region zwischen Polen, der Ukraine und Ungarn, mitgestalten sollte. Der Film durfte nicht produziert werden, seine Notizen und Erlebnisse verarbeitete Klíma zu einem Roman, der die Zeit vom Kriegsende bis Anfang der fünfziger Jahre umspannt.

Autorenportrait

Ivan Klima, 1931 in Prag geboren und als Kind drei Jahre im KZ Theresienstadt, studierte nach dem Krieg Literaturwissenschaft, wurde Anfang der sechziger Jahre Redakteur der später verbotenen Zeitschrift Literáni noviny, wo er sich für regimekritische tschechische Autoren und für die Rezeption von Capek, Kafka, Hemingway und Dürrenmatt einsetzte. 1967 hielt er auf dem legendären Schriftstellerkongress in Prag ein flammendes Plädoyer für die Freiheit der Kunst und gegen die Zensur, wurde entlassen und mit Publikationsverbot belegt. Seine Bücher und Theaterstücke erschienen fortan nur im Westen und wurden erfolgreich in 31 Sprachen übersetzt. In den USA und in der Bundesrepublik war Klíma in den neunziger Jahren immer wieder auf den Bestsellerlisten. Erst nach der Wende 1989 konnte er auch in Tschechien verlegt werden. Zu seinen bekanntesten Romanen zählen 'Richter in eigener Sache', 'Liebe und Müll', 'Liebesgespräche', 'Warten auf Dunkelheit, Warten auf Licht' und zuletzt seine Erinnerungen 'Moje sílené století' (Mein verrücktes Jahrhundert), Praha 2010. Maria Hammerich-Maier, geb. 1961 in Korneuburg, Niederösterreich, Studium der Slawistik und Germanistik, 1988 bis 1995 Hochschullehrerin an der Universität Wien und der TU Prag. 1995 bis 2000 Leiterin einer Agentur für Wissenschaftsförderung. Lebt als Publizistin, Rundfunkjournalistin und Übersetzerin in Prag und Oberfranken.

Leseprobe

LaboreckýÜber dem Wasser schwebte eine dünne, kalte Dunstschicht. Die Männer hatten die Hosenbeine hochgekrempelt, eiskalt perlten die Tropfen an ihren Waden hinab, sie konnten sie aber nicht abwischen. Sie zogen mit beiden Händen am Netz. Sie verfingen sich im überfluteten Gestrüpp, stolperten über versteckte Löcher, zitterten vor Kälte und fluchten.Molnár ging voraus. Er war der Flusswächter, er bewachte also den Fluss und war für das Stück Damm bis zum Wald zuständig. Er notierte die Wasserstände und stellte an den Tagen, an denen der Fluss und der Kanal so wie jetzt über die Ufer traten und die Fische im weiten Wiesenland weideten, die Richtung ihrer Irrwege fest, damit sie wieder mit dem Netz eingefangen werden konnten. Er musste seine Leute ab und zu anschnauzen, aber sie mochten ihn gerne, denn er bewahrte stets gute Laune, was immer das Leben auch brachte. In der letzten Zeit aber war selbst ihm die Lust zu scherzen vergangen. Der ältere seiner Söhne war an der russischen Front gefallen, und seine Frau lag krank darnieder. Er alterte zusehends und magerte stark ab, und das Lachen blitzte nur noch selten in seinen Augen auf, durchdrungen von einem unablässigen Schmerz.Das Netz war nun vollends gespannt. Molnár beugte sich zum Wasser hinab, fand einen Pflock und begann, das Netz rasch mit Knoten festzubinden.In der Ferne rief jemand seinen Namen, doch er blickte sich nicht einmal um. Von seinen Händen trieb das Wasser in stillen Ringen weg und flutete träge zwischen den Maschen des Netzes hindurch.Seman, der ihm am nächsten stand, schrie: "Pavel ruft dich. Du sollst nach Hause kommen!"Molnár erschrak, bemühte sich aber sogleich, die Angst zu verscheuchen. Das wäre zu viel auf einmal: im Sommer der Sohn und jetzt die Frau. "Wird nichts sein", sagte er laut, "wahrscheinlich ist der alte Baron gekommen und lädt mich zum Mittagessen ein!"Seman lachte laut auf, und Molnár schürzte hastig den letzten Knoten. Dann watete er so schnell er konnte an dem gespannten Netz entlang. "Lass es dir schmecken", rief ihm Seman nach.Seine Frau hatte die ganze Nacht vor Schmerzen geweint, aber am Morgen war sie dann ruhig dagelegen - sicher ein gutes Zeichen.Er rollte die Hosenbeine am Ufer rasch hinunter."Laborecký ist gekommen und hat mich geschickt, dass ich dich hole", sagte ihm sein Sohn. Er war mager und groß für seine dreizehn Jahre."Was macht Mama?", fragte er. "Hat sie geweint?""Sie hat gebetet!""Aha." Er hatte den Eindruck, dass sein Sohn noch etwas hinzufügen wollte. Es beunruhigte ihn manchmal, wenn Pavel schwieg. Der ältere Sohn, Vilo, der nicht mehr unter den Lebenden weilte, hatte ihn nie beunruhigt, der war nach ihm geraten, sie waren sich sehr ähnlich gewesen, und er hatte Vilo genauso gut verstanden wie sich selbst. Pavel jedoch kam ihm manchmal ganz fremd vor, er lachte nie laut und konnte Stunden lang schweigen. Einmal, als er seinen Sohn beobachtet hatte, war es ihm vorgekommen, als ob sich Pavel in Gedanken die ganze Zeit über mit jemandem unterhielte, denn hin und wieder zeigte sich ein scheues Lächeln auf dem Gesicht des Jungen."Woran denkst du?""An Vilo", hatte der Junge geantwortet, "ich stelle ihn mir vor, wie er dort liegt.""Daran solltest du nicht denken!""Er hat mir eine Harmonika versprochen, bevor er weggefahren ist!" Und er fuhr fort: "Angeblich hört der Mensch danach nur noch Musik. Aber ich glaube, dass drüben Stille herrscht."Sie gingen die einzige breite Straße des Dorfes entlang, Häuschen mit Storchennestern auf den grünen Dächern, Holzzäunen und riesigen Zugstangen an den Brunnen kauerten auf beiden Seiten. "Warte, bis erst der Krieg vorbei ist", versprach Molnár, "dann kaufen wir uns eine Harmonika, du singst, ich spiele, und wir ziehen zusammen umher. Wir werden viel sehen. In Amerika wirst du hundertstöckige Häuser und noch höhere Dämme am Meer sehen. Dann kommst du zurück und baust das alles hier."Ein sehr altes Märchen, er erzählte es Pavel oft, aber Pavel glaubte nicht mehr recht daran.Ihr Haus st

Weitere Artikel vom Autor "Klíma, Ivan"

Im Moment nicht lieferbar. Bitte nachfragen.

17,90 €
inkl. MwSt.

Im Moment nicht lieferbar. Bitte nachfragen.

24,90 €
inkl. MwSt.

Im Moment nicht lieferbar. Bitte nachfragen.

8,50 €
inkl. MwSt.

Im Moment nicht lieferbar. Bitte nachfragen.

9,00 €
inkl. MwSt.
Alle Artikel anzeigen

Weitere Artikel aus der Kategorie "Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)"

Im Moment nicht lieferbar. Bitte nachfragen.

9,99 €
inkl. MwSt.

Im Moment nicht lieferbar. Bitte nachfragen.

9,99 €
inkl. MwSt.

Noch nicht erschienen. Bitte vorbestellen.

24,00 €
inkl. MwSt.

Noch nicht erschienen. Bitte vorbestellen.

26,00 €
inkl. MwSt.
Alle Artikel anzeigen