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Ein Leben

Briefe und Tagebücher

Erschienen am 10.09.2004
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783446205543
Sprache: Deutsch
Umfang: 888 S.
Format (T/L/B): 3 x 19.2 x 12 cm
Einband: Leinen

Autorenportrait

Herman Melville wurde 1819 in New York geboren und starb dort 1891. Bei Hanser erscheinen Neuübersetzungen Moby-Dick  (2001) und Pierre oder die Doppeldeutigkeiten (2002). Zuletzt erschien Ein Leben (Briefe und Tagebücher, 2004).

Leseprobe

Kapitel I 'Harte Zeiten' Kindheit, Jugend, frühe Reisen (1819-1844) Am Sonntag, den 1. August 1819, eine halbe Stunde vor Mitternacht, wird Herman Melville in New York City geboren. Er ist das dritte von bald acht Kindern der Eheleute Allan und Maria Gansevoort Melvill. Die Geburt findet unter ärztlicher Aufsicht zu Hause statt, in der Pearl Street Nr. 6, nur wenige Steinwürfe von der Battery an der Südspitze Manhattans entfernt. Am nächsten Morgen berichtet der stolze Vater seinem Schwager Peter Gansevoort von der Ankunft seines zweiten Sohnes: 'unsere liebe Maria bewies ihre bekannte Tapferkeit in der Stunde der Gefahr, & es geht ihr so gut wie es die Umstände & die starke Hitze erlauben - und der kleine Fremdling hat gute Lungen, schläft gut & trinkt mit Maßen, er ist wirklich ein prächtiger Knabe'. Zwei Wochen später wird das Kind nach dem ältesten Bruder der Mutter auf den Namen Herman Gansevoort getauft und in die calvinistische Reformed Dutch Church aufgenommen. Hierin wie in anderen Dingen erweist sich die aus einer alteingesessenen, ursprünglich holländischen Patrizierfamilie stammende Mutter als bestimmend. Ihr Vater, General Peter Gansevoort, gilt vielen Zeitgenossen als Held des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs; seit seinem Tod wacht ihr Bruder Peter über Wohlstand und Status der Sippe. Allan Melvill bemüht sich, den großbürgerlichen Ansprüchen seiner Frau zu genügen. Er hat als junger Mann zwei Jahre in Frankreich verbracht und versucht seit 1818, sich als Kaufmann und Importeur französischer Textilien in der Hafenstadt New York zu etablieren. Seine schottischen Vorfahren haben sich im frühen 18. Jahrhundert in Boston angesiedelt. Auch sie gehören mittlerweile zu den angesehenen Familien des Landes. Allans Vater, Major Thomas Melvill, war 1773 einer der Anführer der Bostoner Tea Party und zeichnete sich ebenfalls im Krieg gegen die britische Krone aus. Auf beiden Seiten wird der kleine Herman also in eine Familie hineingeboren, zu deren Erbteil hohes Ansehen und hohe Ansprüche gehören. Diese Herkunft hat Folgen, auch für sein dichterisches Werk. Herman Melvilles Geburtsstadt ist schon um 1820 die wichtigste Handelsstadt der jungen Nation. Aber die großen Einwanderungswellen aus Europa haben noch nicht eingesetzt. Noch ist New York City in ethnischer, sozialer und religiöser Hinsicht weitgehend homogen. Noch wird die Stadt von jener protestantischen Elite dominiert, die sich auf die holländischen, schottischen und englischen Einwanderer der frühen Kolonialzeit zurückführt. Noch stammt nur ein gutes Zehntel der damals gut 120000 Einwohner aus dem Ausland, und das Stadtgebiet beschränkt sich auf den Süden der Halbinsel Manhattan. All das wird sich in den nächsten vier Jahrzehnten dramatisch ändern. Was sich zunächst nicht ändert, sind die wegen des Klimas und schlechter Abfallbeseitigung katastrophalen hygienischen Bedingungen. In den Straßen türmt sich der Müll, Schweine laufen zwischen den Kutschen und Pferdekarren frei herum, und die Seeleute und Schiffspassagiere schleppen immer wieder Krankheiten ein. So wird New York auch 1819, wie fast jeden Sommer, von Cholera, Typhus und Gelbfieber heimgesucht, und Maria Melvill reist im September für zwei Monate mit ihrem dreijährigen Sohn Gansevoort, ihrer zweijährigen Tochter Helen Maria und dem kleinen Herman zu ihren Verwandten nach Albany, der am Oberlauf des Hudson gelegenen Hauptstadt des Bundesstaats. Auch in den folgenden Jahren verbringen die Mutter und Kinder den Sommer dort, während der Vater in New York City seinen Geschäften nachgeht. Die gehen nicht gut. Das liegt nicht nur an den großen Wirtschaftskrisen zwischen 1819 und 1823. Allen Melvill ist kein guter Geschäftsmann. Er muß in den folgenden Jahren immer wieder Geld leihen, bei seinem Vater, seinem Schwager Peter Gansevoort und seinem Freund, dem Bostoner Juristen Lemuel Shaw. Zugleich zieht die ständig wachsende Familie - in den nächsten zehn Jah ... Leseprobe