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Erfundene Erinnerung

Weltkrieg und Judenmord in Film und Theater

Erschienen am 10.02.2004
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783446204812
Sprache: Deutsch
Umfang: 376 S., 30 s/w Illustr.
Format (T/L/B): 3 x 22.5 x 14.9 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Film und Theater spielten in der Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit immer eine zentrale Rolle. Der Hamburger Politikwissenschaftler Peter Reichel stellt zum ersten Mal in einem Überblick die Bedeutung von Theater und Film in der Konfrontation mit dem nationalsozialistischen Verbrechen dar. Und er geht der Frage nach, welche Bilder von Auschwitz und vom Krieg Film und Theater hervorgebracht haben.

Autorenportrait

Peter Reichel, geboren 1942, lehrte bis 2007 als Professor für Historische Grundlagen der Politik an der Universität Hamburg. Bei Hanser sind erschienen: Der schöne Schein des Dritten Reiches. Faszination und Gewalt des Faschismus (1991);  Politik mit der Erinnerung. Gedächtnisorte im Streit um die nationalsozialistische Vergangenheit (1995); Erfundene Erinnerung. Weltkrieg und Judenmord in Film und Theater (2004) und Rettung der Republik? Deutschland im Krisenjahr 1923 (2022)

Leseprobe

Der Arzt von Stalingrad: Triumph des Humanitären? Den ersten und bis heute gültigen Stalingrad-Roman verdanken wir Theodor Plivier. Er wurde zu einem großen Publikumserfolg. Dazu hat gewiß auch der Umstand beigetragen, daß Plivier seit der Weimarer Republik ein prominenter Autor war und wegen seines Moskauer Exils und seiner Mitarbeit im Nationalkomitee Freies Deutschland auch ein politisch umstrittener. Hier lag lange ein potentieller Filmroman bereit, aber erst Anfang der sechziger Jahre, anläßlich des 20. Jahrestages der Stalingrad-Schlacht, wurde er von Claus Hubalek in einer NDR-Fernsehproduktion verfilmt. Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Hermann Foertsch, sah darin sogleich eine Herabsetzung der unbefleckten Ehre deutschen Soldatentums, attackierte den Regisseur als 'Gegner der Freiheit' und warf ihm vor, daß er sich zum Erfüllungsgehilfen des Ostblocks gemacht und 'Propagandathesen der kommunistischen Kampfführung' verbreitet habe. Den erfolgreichsten Stalingrad-Roman der fünfziger Jahre schrieb Heinz Konsalik. Im Arzt von Stalingrad beschreibt er nicht das Geschehen der Kesselschlacht oder ihre Vorgeschichte. Der Bestsellerautor und ehemalige Kriegsberichterstatter, der mit dem Stalingrad-Roman seinen ersten Welterfolg feierte, erzählt eine Geschichte nach der Niederlage. Es ist die - umgeschriebene - Geschichte jenes Chirurgen Dr. Böhler alias Dr. Kohler, der bei seinen Kameraden in Kriegsgefangenschaft blieb, obwohl er krank war und in die Heimat entlassen werden sollte. Millionen von Revue-Lesern war der Roman bereits bekannt, als er in der Verfilmung durch Geza von Radvanyi Anfang 1958 in die westdeutschen Kinos kam. Durch den Film und die Buchveröffentlichung kamen weitere Millionen hinzu. Im Mittelpunkt steht der aufopferungsvolle, willensstarke und auch in der spannungsreichen Konfrontation von russischer Lagerleitung und deutschen Kriegsgefangenen geschickt, vor allem aber in seiner humanitären Gesinnung menschlich überlegen agierende Stabsarzt Dr. Fritz Böhler (O.E. Hasse). Einer der Höhepunkte des Films ist dessen erfolgreicher Versuch, den an einem Gehirntumor lebensbedrohlich erkrankten Sohn des Lagerkommandanten zu retten. Der selbstlose Arzt ('Was sollen meine Männer von mir denken?') läßt sich indes bitten und geht das Risiko erst ein, als ihm Verbesserungen für das Lagerlazarett und Erleichterungen für die gefangenen Kriegskameraden zugestanden werden. Als die Operation erfolgreich beendet ist und das Kind unter Metern von Mullbinden hervorlächelt, da verwandelt der Film, so ein Kritiker dankbar, das 'Menetekel des vergangenen Krieges' in ein 'Symbol der Menschlichkeit'. Der Literaturkritiker Karl Korn fand diese Szene 'zum Schämen' und attackierte den Film, weil er vom deutschen 'Erblaster' infiziert sei, 'uns selbst als von der Welt verkannte Heroen zu genießen'. Daß das Freund-Feind-Verhältnis zwischen Russen und Deutschen durch Menschlichkeit und Versöhnungsbereitschaft überwunden werden kann, sollten auch die beiden Liebesgeschichten des Films unter Beweis stellen. Zum einen ist es die Romanze zwischen einem weiblichen russischen Leutnant (Vera Tschechowa) und einem kranken deutschen Fähnrich (Paul Bösiger). Zum anderen geht es um die Haßliebe zwischen einer russischen Lagerärztin (Eva Bartok) und einem deutschen Arzt (Walter Reyer), der von dem eifersüchtigen und bei den deutschen Gefangenen wegen seiner Brutalität gefürchteten Lageradjutanten (Hannes Messemer) schließlich ermordet wird. Im Gegensatz zum breiten Filmpublikum hat die Kritik den Film weitgehend abgelehnt, teilweise mit einer bemerkenswerten Schärfe. Karl Korn attackierte die Verlogenheit und den 'falschen Ton der sentimentalen Tragik aus unverstandenem Edelmut'. Er war es auch, der als Vorsitzender der Wiesbadener Filmbewertungsstelle dafür sorgte, daß der Streifen kein werbewirksames Prädikat erhielt. Die Kritikerin der Süddeutschen Zeitung mochte nur den kurzen dokumentarischen Auftakt ... Leseprobe